Zuviel des Guten oder die Macht der Entscheidung

Beim Heilsamen Intuitiven Malen steht das Ankurbeln der Kreativität im Vordergrund.
Unsere ureigene Schöpferkraft will wieder ins Fließen kommen, weil mitunter lange Zeit der kreative Fluss nicht genährt wurde. Das Flussbett ist ausgetrocknet; und es braucht viel Aufmerksamkeit, Zeit sowie eine reiche Fülle an Materialien und Ideen, um es wieder zu beleben. Superfood für die Seele eben! 🙂

Ich erlebe in meinen Wochenend-Workshops immer wieder, was für eine große Öffnung möglich ist, wenn sich die Teilnehmer auf zwei intensive Tage voller Farben, Impulse und Lebensfreude einlassen. Das, was so viele Jahre nicht gelebt wurde, darf wieder sein, ja, es ist sogar sehr gewollt und das tut gut. 🙂

Viele Menschen, die zum Heilsamen Intuitiven Malen zu mir kommen, klagen über einen Mangel an Ideen. Das hat zur Folge, dass sie gar nicht erst mit dem Malen beginnen.
Diejenigen unter Euch, die mich bereits kennen und auch schon mit mir gemalt haben, wissen, wie wir diese Blockade umgehen und überlisten können.
Neulich jedoch hatte ich eine Einzel-Mal-Session, in der sich die Blockade genau am anderen Ende der Bandbreite befand:

Was tun, wenn ich vor lauter Ideen gar nicht weiß, mit welcher ich anfangen soll?

Ich malte mit einer Frau, die zu Beginn des Malens stets so viele Anfangsimpulse und Möglichkeiten in sich wahrnahm, dass es ihr unheimlich schwerfiel, sich für eine zu entscheiden und diese dann aufzugreifen. Es herrschte also kein Mangel, sondern große Fülle, was ja im Grunde eine tolle Sache ist. Wenn dies jedoch auf Kosten des freien Fließens geht, ist es nicht das Optimum.
Daher möchte ich heute auf diese Art von Startschwierigkeiten eingehen.

Es gab eine Zeit in meinem Künstlerleben, in der ich unter einer ähnlichen Blockade litt.
Jeden Morgen hatte ich so viele Ideen, was ich alles tun könnte:
Projektideen, innere Bilder, die gemalt werden wollten, Lieder, die sich in mir formten, Trickfilmideen… und noch mehr!

Das hatte zur Folge, dass ich so überflutet wurde von diesem Meer aus Möglichkeiten, dass ich fast den ganzen Tag damit verbrachte, die beste herauszufinden. Leider erfolglos. Denn jedes Mal, wenn ich eine Idee auswählte, entschied ich mich im selben Atemzug gegen ganz viel andere Ideen. Das fühlte sich brutal an. Ich wollte doch so gern alles…

Das ist das „Voller-Kühlschrank-Syndrom“. (Diesen Begriff prägte Ulrike, als sie mir damals half, dieses Überangebot an Ideen konstruktiv zu nutzen.)
Stellen wir uns vor, wir haben einen randvollen Kühlschrank.
Darin sind lauter leckere Sachen, die wir gern mögen und essen wollen. Doch unser Magen nimmt nur eine begrenzte Menge an Nahrung auf. Ebenso wie wir nur 24 Stunden pro Tag zur Verfügung haben. Manche haben sogar nur ein paar Stunden pro Woche Zeit für das Umsetzen kreativer Projekte.
Wir können nicht alles aus dem Kühlschrank essen. Wir müssen uns entscheiden. Und ist es nicht klüger, weniger und ausgewählt zu essen und dafür jeden Bissen zu genießen?

Also begann ich, mich zu entscheiden.
Ich schaute in den „Kühlschrank“, suchte mir eine oder zwei Leckereien aus und genoss diese.
Das heißt, ich nahm mir morgens für den Tag ein oder zwei Projekte vor und vertiefte mich in sie hinein.

Zu Beginn war es schwer, die anderen Projekte, die ich „im Kühlschrank zurück ließ“, zu ignorieren.
Ich musste viel an sie denken und zweifelte an meiner Entscheidung. Manchmal änderte ich später am Tag meine Pläne und nahm mir ein anderes Projekt vor.
Auch hier geht es wieder ums Optimum! Nicht verhärten, nicht festfahren. Immer locker und lebendig in der Spur bleiben, das Ziel verfolgen, bis es sich nicht mehr stimmig anfühlt.
Dann ist womöglich ein Richtungswechsel angesagt oder eine erneute Entscheidung für die bereits gewählte Richtung nötig.
Es gibt kein Falsch und kein Richtig. Es gibt nur das, was jetzt gerade passt und wo im Moment das größte schöpferische Potenzial vorhanden ist.

Irgendwann lernte ich mit dem immer vollen Kühlschrank zu leben. Sogar richtig gut. Das ist Fülle. Das ist pralles Leben. Das Leben ist nicht begrenzt. Es ist gigantisch, verschwenderisch, in alle Richtungen explodierend.
Nur der konstruktive Umgang damit will eben geübt sein. 🙂

Wenn Ihr merkt, dass das übersprudelnde Angebot an Ideen Euch eher hemmt als inspiriert, dann probiert mal folgendes:

1. Geht ganz bewusst in die Einfachheit.

Nutzt für Euer Mal- oder Zeichenprojekt extra wenige Farben (höchstens drei) oder bewegt Euch nur innerhalb eines von Euch gewählten Farbbereiches (z.B. Blau).
Außerdem hilft es, sich einmal voll in eine bestimmte Form hineinzugeben, z.B. nur Kreise, Rechtecke oder Dreiecke zu malen oder einfach nur Linien zu ziehen.
Das absolut Einfachste ist übrigens der Punkt. Die Punktemalerei ist wunderbar geeignet, um „auf den Punkt zu kommen“ und sich zu zentrieren.
(Zahlreiche Ideen und Tipps dazu gibt es in meinem Video-Workshop Mit Liebe zeichnen aus der Reihe Intuitives Zeichnen auf ULRIKE HIRSCH TV.)

Oder Ihr beschränkt Euch auf ein einziges Material. Heutzutage werden viele Mischtechniken angeboten und die Vielfalt an Materialien kann einen mitunter schon überfordern.
Als Gegenpol hilft es dann, sich mit nur einem Buntstift an den Tisch zu setzen und zu schauen, was sich alles aus diesem Wunderwerkzeug herausholen lässt. Ganze Universen! Es braucht nicht viel.
Mal mehr und mal weniger Druck, mal schnelle und mal langsame Bewegungen, mal krakelig und mal ganz kontrolliert den Stift halten… so vieles lässt sich entdecken, wenn man sich drauf einlässt.

2. Erhöht das Tempo.

Wenn wir vor dem weißen Blatt Papier sitzen und es stürmen Unmengen an Impulsen auf uns ein, hilft oft nur blitzschnelles Handeln. So bleibt weniger Zeit für langes Nachdenken.

Wenn in Extremsituationen Entscheidungen gefragt sind, treffen wir diese instinktiv – aus dem Bauch heraus, nicht aus dem Kopf. Unser Instinkt ist auch ein guter Begleiter beim schöpferischen Malen. Wenn wir nicht viel Zeit haben und ganz schnell die Farben wählen oder das Blatt füllen, kommt die Kreativität in Fluss, weil keine Energie für ewiges Hin-und-Her-Überlegen und Abwägen verschwendet wird.

Setzt Euch also ein zeitliches Limit (möglichst gering!), um ein Blatt zu füllen, macht rasante Musik an und bewegt Euch beim Malen. Das hilft immer!
(Wenn Ihr tiefer eintauchen wollt, empfehle ich Euch meine Videos Den „richtigen“ Anfang finden oder Die Grundlagen des Heilsamen Krakelns.)

3. Macht Euch bewusst, dass Zeit, Raum und Material nicht begrenzt sind.

Oft entsteht der Druck, die richtige Entscheidung zu treffen, aus dem Gefühl des Mangels heraus.
Wir glauben, wir haben nur diesen einen Moment oder nur dieses eine Blatt Papier zur Verfügung – daher muss es auf Anhieb „perfekt“ sein!
Dabei ist gerade eine spielerische, unbeschwerte Herangehensweise die Basis für wirkungsvolles Erschaffen.

Um den Druck aus der Situation heraus zu nehmen, hilft es, uns bewusst zu machen, dass noch mehr Papier auf dem Block ist. Wir können sogar einmal voll in der verschwenderischen Energie aufgehen und mehrere Blätter mit Absicht „versauen“, vollkrakeln, vollmatschen und anschließend zerreißen.
So heben wir das Gefühl der Enge auf. Wir sprengen den Rahmen der Begrenztheit und erleben, dass es noch viel mehr gibt.
Viel mehr Papier. Viel mehr Energie. Viel mehr Freude.

Ebenso ist es mit Zeit und Raum. Viele Menschen, die zu mir kommen, meinen sie haben keinen Raum und keine Zeit zum Malen.
Doch stimmt das wirklich?
Jeder hat Zeit zum Malen.
Und jeder hat Raum zum Malen.
Selbst wenn es ein postkartengroßer Skizzenblock Block auf dem Schoß ist oder ein Eckchen am Küchentisch.
Lieber wenig als gar nichts, nicht wahr?

Ich zeichne zur Zeit viel in ein kleines Buch, das ich immer mit dabeihabe.
Das ist schnell ausgepackt und ich kann im Garten, im Café oder im Bett mit ein paar Stiften hineinzeichnen. Es müssen auch nicht Stunden sein. Eine halbe reicht. Oder zehn Minuten.

Wenn wir einen Raum zum Kreativ-Sein schaffen, können wir diesen anschließend Schritt für Schritt erweitern. Doch zuerst müssen wir ihn ERSCHAFFEN. Und dafür brauchen wir die Entscheidung und fokussiertes Handeln. So können wir selbst aus wenig Zeit, Raum oder Material eine endlose Fülle kreieren.
Das klingt wie ein Wunder, ist also möglich! 🙂

Es gibt keine Grenzen, außer die in unseren Köpfen.

In diesem Sinne geh‘ ich jetzt mal zum vollen Kühlschrank und überlege mir, was ich als nächstes genießen werde…

Lasst es Euch gut gehen und bleibt dran! Es lohnt sich! 🙂

Von Künstlerherz zu Künstlerherz,
Ulrike

30. August 2018

Posted In: Impulse für ein kreatives Leben

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One Comment

  • Marion sagt:

    Oh ja, liebe Ulrike,
    wie gut ich dieses „volle-Kühlschrank-Syndrom“ kenne, nicht nur beim malen auch beim Nähen! Ist mir heut morgen so geschehen! Da wollen plötzlich ganz viele Projekte auf einmal realisiert werden, sobald eins vollendet ist. Sie nutzen einfach die entstandene Lücke vor dem Neubeginn und purzeln nur so herein wie eine Schar Kinder, die alle beachtet werden wollen!
    Ja und beim Malen reicht der Raum auf einem Lesezeichen, das sich gestern in einer Viertelstunde mit einigen größeren und kleineren Spiralen gefüllt hat, die vielleicht sogar diese heran nahende Flut von heute schon abgebildet haben, wie mir gerade bei seinem Anblick in den Sinn kommt!

    Ich wünsche dir und uns allen allzeit im kreativen Fluss zu sein!

    Schöpferische Grüße
    Marion

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